Faire Sexarbeit – faire Mieten

Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne?
Jedem Ende auch.

Wer hier ab und an mitliest weiß, dass die letzten zwei, drei Jahre alles andere als einfach für mich und meine Tätigkeit als Sexarbeiterin waren.
2020, 2021 und 2022 litt ich an LongCovid,  meine Kraft und Leistungsfähigkeit änderte sich permanent und leider meist zum Schlechten.
Die gute Nachricht ist, dass es mir -endlich- besser geht. 3 Monaten ohne Crash, seit 10 Wochen langsam aber konstant wieder ein wenig Ausdauersport. Auf dem Level wie Anfang 2020 kann ich aber nicht wieder einsteigen, ehrlich gesagt will ich das auch nicht. 2019 war ich mehr als 200 Tage unterwegs, nicht nur in Sachen Sexarbeit, sondern auch für Vorträge, Workshops und Konferenzen. Das war zu viel.

                                                                                Aufhören möchte ich nicht

Ich mag, was ich tue, den Kontakt mit den Kund*innen, das Unterwegs-Sein. Aber ich wähle jetzt noch sorgfältiger aus, mit wem ich zusammen arbeite und wo ich mich einmiete. Ich schätze meine Selbständigkeit und nehme die wörtlich.
Wenn ein Studio keine fairen, modernen Arbeitsbedingungen bietet, dann gehe ich woanders hin. Ist sich ein Studiobetreibender nicht darüber im Klaren, dass wir ein Mietverhältnis auf Augenhöhe unterhalten, dann endet unsere Kooperation. Ist ein Portal unfreundlich, diskriminierend oder respektlos, dann war’s das mit bezahlter Werbung dort.

Im Jahr 2023 ist es maximal Zeit, dass ausbeuterische Bedingungen in der Sexarbeit klar benannt werden. Im Fokus der Öffentlichkeit stehen bei diesem Thema meist die Kund*innen, manchmal zu Recht, oft auch zu Unrecht. Sexarbeit unter guten Voraussetzungen ist ein konstanter Aushandlungsprozess in dem durch Kommunikation Grenzen formuliert werden, die dann beide Seiten einhalten.

                                                                                 Worüber nicht gesprochen wird

Über Miete, Werbekosten und strukturelle Stigmatisierungen, denen wir Sexarbeitende ausgesetzt sind, während wir unserer Arbeit nachgehen, wird nicht gesprochen. Unsere Abhängigkeit von Bordellen, Studios oder Puffs, Portalen oder Sperrbezirken darf nicht mehr ausgenutzt werden.
Schon jetzt arbeiten viele Kolleg*innen unabhängig von den Prostitutionsstätten. Es ist mehr als einmal vorgekommen, dass Betreibende darauf mit fiesen Briefen und Denunzierungen an Ordnungsbehörden reagieren. Die Botschaft dabei: Wir sind die Guten und die Bösen illegalen übervorteilen uns, indem sie in Hotels oder Appartments oder straßenbasiert arbeiten. Sie scheinen zu denken,dass ihnen so Einnahmen entgehen. Nachdenken darüber, ob die Arbeitsbedingungen vielleicht eine Rolle spielen könnten, die Kolleg*innen von diesen  Betrieben fernhalten? Meist Fehlanzeige.

Ist es eine allgemeine Erkenntnis unter Betreibenden, dass Sexarbeitende genau genommen die Kund*innen ihrer Betriebe sind und somit respektvoll und entgegenkommend behandelt werden sollten? Nein. Sie scheinen eher oft zu denken: Die sind ja auf mich angewiesen.
Also existiert Leistungsdruck, Abwertung, manchmal eine Bereicherungsmentalität und allzu oft die Haltung: Bei mir ist es doch besser, als anderswo, also muss ich nix ändern.
Guess what? Arbeitsbedingungen in dieser Branche sind viel zu oft noch mehr als schlecht. Was wir brauchen sind kollegiale Netzwerke, faire Mieten und Kooperationen auf Augenhöhe.

                                                                                     Was problematisch ist

Bevormundung und Leistungsdruck: Als selbständige Arbeiterin entscheide ich selbst, ob ich krank oder gesund bin, oder wann ich wieviel arbeite. Eine Erwartungshaltung, die besagt, wenn Du bei mir arbeitest, dann muss so und so viel dabei für mich herumkommen – ohne Rücksicht auf Verluste – das ist Ausbeutung.

Pauschale Mieten sollten bald mal der Vergangenheit angehören. Sogenannte Tagesmieten sind oft problematisch, weil sie das unternehmerische Risiko gänzlich auf Sexarbeitende abwälzen. Klar, Bordellbetrieben werden oft viel zu hohe Mieten abgeknöpft und das erhöht den Druck auf die Betreibenden sehr. Deswegen müssen faire Mieten für Sexarbeitende auch Hand in Hand damit gehen, Wuchermieten für Prostitutionsbetrieben einen Riegel vorzuschieben. Eine Gleichbehandlung von Bordellen mit anderen Gewerben ist überfällig. Eine Lösung für  Städte wie München, in denen Tagesmieten seit Langem üblich sind, wäre z.B. eine kostenfreie Stornierungsmöglichkeit, falls die Sexarbeiter*in erkrankt.
Was auch passieren kann, worüber aber ungern gesprochen wird ist der Fall, dass es keine Nachfrage gibt.
Auch in einem solchen Fall sollte es ein Entgegenkommen seitens der Betreibenden geben, statt einer vollen Tagesmiete sollte die Möglichkeit einer Einigung bestehen. Ich habe bei solchen Vorschlägen oft, zu oft, die Entgegnung gehört: Aber meine Kosten habe ich trotzdem und auf denen bleibe ich jetzt sitzen. Sorry, aber das geht uns Sexarbeitenden genau so, fragt nur keine*r nach. Betreibende verdienen auch nichts, wenn keine Sexarbeiter*in vor Ort ist. Es ist sogar so, dass ohne Sexarbeitende der Zweck des Betriebes komplett in Frage steht. Betriebe sind also auf uns angewiesen. Sie können noch so schöne Räume haben, wenn dort keine Dienstleistung angeboten wird, holen sich wohl die wenigsten auf das reine Vorhandensein des Bordells einen runter.

Gedeckelte Mieten sind definitiv derzeit best practice. Das gibt es schon in manchen Betrieben. Das bedeutet, die maximale Mietzahlung an dem Tag der Einmietung ist von vorneherein nach oben begrenzt.
Was ist noch schlimmer als kein Mietendeckel? Kein Mietendeckel und lange Gesichter, wenn ich nach 3-4h aufhöre, entweder weil meine Kraft aufgebraucht ist oder weil ich nicht einsehe, Hunderte von Euros Miete an Betreibende zu zahlen. Selbständige Sexarbeitende zu behandeln wie Angestellte ist ein NoGo.
Die Geschäftsmodelle von Sexarbeiter*innen und Bordellbetreibenden unterscheiden sich erheblich.
Das Geschäftsmodell von einem Bordellbetrieb sind Einnahmen an jeden Tag. Viele Sexarbeiter*innen und zu ihnen gehöre ich auch, arbeiten nicht jeden Tag, sondern versuchen effizient Tage mit Sexarbeit und Tage mit anderen Tätigkeiten zu verbinden. Dafür gibt es ganz unterschiedliche Gründe. Aber wer so denkt, dass Sexarbeitende sich per se am unternehmerischen Risiko eines Bordellbetriebs beteiligen müsste, sollte wirklich mal in sich gehen.

                                                                             An die Kund*innen

Auch Ihr könnt mithelfen, die Arbeitsbedingungen von Sexarbeiter*innen zu verbessern. Einerseits hilft es, wenn Ihr flexibel und verlässlich agiert, was den Ort des Treffens anbelangt. Andererseits könnt Ihr Euch auch nach den Bedingungen im Studio, Bordell oder Puff erkundigen. Kritische Nachfragen, wenn Bordellbetreibende sich medial oder politisch als Wohltäter*innen inszenieren, sind auch gern gesehen.
Wenn eine Sexarbeiter*in mit Anzahlungen arbeitet, ist es höflich, das zu respektieren und zu befolgen, falls Du es einrichten kannst. Du als Kunde oder Kundin solltest Dir darüber im Klaren sein, dass viele Faktoren meine Arbeit erschweren und ich auf solche Absicherungen zurückgreife, weil Zuverlässigkeit leider nicht immer selbstverständlich ist.

Da ich nicht auf einer ärgerlichen Note enden möchte:
Dankbare Shoutouts gehen an faire Betriebe wie das LUX Dominastudio und die frisch renovierte Passion Factory in Nürnberg raus. Ebenso danke ich Lady Angelina in München für Ihr Verständnis und Entgegenkommen, als in 2022 Termine wegen meiner Gesundheit entfallen mussten. Das war sehr kollegial.

Auf ein gutes 2023!

 

Comments · 2

  1. Hallo Ruby
    Danke für Deinen Artikel. Du hast Recht, so geht es vielen Sexarbeiterinnen auch hier in der Schweiz. Momentan kämpfen zwar viele Betriebe mit Sexarbeiterinnen die reservieren und nicht anreisen oder abreisen ohne zu Putzen oder zu Zahlen. Da kann man nachvollziehen dass sie sich mit schwarzen Listen zu wehren versuchen. Was wir aber auch beobachten (wir sind ja unabhängig, sind keine Vermieter, wir bilden nur Sexarbeiterinnen zu Dominas aus) ist dass die Bordellbetreiber und Zimmervermieter sich über Sexarbeiterinnen aufregen die sich andernorts einmieten, in gewissen Hotels oder Privaträumen, was hier zum Glück erlaubt ist. Die gehen zum Teil soweit diese Damen bei den Behörden anzuschwärzen, genau wie Du schreibst, und das ist natürlich ein schändliches Benehmen, rein aus Habgier. Am liebsten wollen die, dass man nur noch in ihren Lokalitäten legal arbeiten darf.
    Das ist ganz klar gegen die Bedürfnisse der Damen. Das Wohl der SexarbeiterInnen muss natürlich immer an erster Stelle stehen, wenn Entscheide für Regulierungen getroffen werden. Nicht der Schutz der Bordellbetreiber.
    Deshalb ist es gut dass Du auf diesen Benehmen hinweist.

    1. Danke für den Kommentar.
      Schwarze Listen, anschwärzen, da ist so ein Machtverhältnis drin, das mir übel aufstößt. Corona hat vielen Kolleg*innen gezeigt, dass sie nicht angewiesen sind auf die Bordelle. Im Bordell arbeiten hat natürlich Vorteile. Ein klarer Nachteil sind aber die (zu) hohen Kosten für die Miete. Und wenn ich lese, Sexarbeitende sollen nur noch legal in den Betrieben arbeiten dürfen kommt es mir erst recht hoch. Das ist das Gegenteil von Schutz, sondern schafft nur wieder neue Abhängigkeiten.
      In D haben Betreibende durch das ProstSchG einen Kontrolletti-Status erhalten, der vielen zu Kopfe gestiegen ist. Dieses Entitlement sollte schleunigst aufhören.

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