Das Prostituiertenschutzgesetz ist seit dem 1.7.2017 in Kraft und sorgt für allerhand große und kleine Neuerungen. Seit einigen Tagen bin ich auch registriert, und habe einen Ausweis der Bundesdruckerei. Das ist allenthalben ein ziemlich dünnes Papierchen, erinnert ein wenig an den alten Führerschein, und wird mit der Zeit wohl genau so ein Lappen werden.
Man erlebt da allerlei Dinge, wenn man sich dem Prozedere der Registrierung, (Zwangs-)Beratung und Belehrung beugt. Man erlebt große Unsicherheit auf den zuständigen Stellen und man erlebt mangelnde Diskretion von Seiten der Behörden. Man erlebt Ablehnung, Unverständnis und Auslieferung.
Eins nach dem Anderen. Es war lange nicht bei den Sexworker*Innen angekommen, was ihnen da blüht, noch im Dezember habe ich Frauen gesprochen, die wie ich in SM-Studios arbeiten, und die keinerlei Bewusstsein darüber hatten, dass sie nach dem 31.12.2017 ihre Tätigkeit nicht mehr legal ausüben können.
Wie gehst Du mit dem Gesetz um?, war meine Frage.
Ach, das findet sich schon –
ich lass das auf mich zukommen –
weiß ich noch nicht –
kann ich dann wirklich ohne Anmeldung nicht mehr arbeiten?
Auf diese Haltung komme ich später nochmal zurück, das ist nämlich ganz interessant, was da passiert…
Gleichzeitig stieg mit Zunahme des Jahres und Abnahme der Kalenderblätter auf dem Jahreskalender 2017 der Druck. Bundesländer wie Bayern boten ca. ab September die Möglichkeit zur Anmeldung und vergaben Termine. Effizient – bajuwarisch- aber unter der pittoresken Oberfläche gleichermaßen großes Chaos, denn noch bis Anfang Dezember war das Prozedere nicht einmal einheitlich in Bayern selbst geregelt. So war bis Anfang Dezember die Anmeldung in Aschaffenburg noch kostenfrei möglich. In München, Nürnberg und Augsburg fallen Gebühren für die Registrierung an,
35€ für die Gesundheits„beratung“ und
35€ für die Registrierung.
Möchte man einen Alias miteintragen lassen, kostet das nochmal zusätzlich 35€. Wieso eigentlich? Es ist eine Zeile mehr, die in den Ausweis eingetragen wird…
Andere Länder wie Berlin oder Brandenburg boten bis Ende 2017 keine Möglichkeit zur Anmeldung, die Preisgestaltung lag im Dunkeln, hier übernahm teilweise das Ordnungsamt, in Bayern ist das Gesundheitsamt zuständig. Termine zur „rechtzeitigen“ Anmeldung waren nicht zu bekommen, klar, viele Sexarbeiter*Innen reisen, und für eine weitere Aktivität im Süden musste man angemeldet sein, da den Studiobetreibern sonst heftige Sanktionen und Bußgelder in Aussicht gestellt wurden. Also drängelten sich viele um sehr wenige Terminplätze in den Metropolen des Anschaffens im Süden.
Zurück nach Nürnberg:
Die Situation vor Ort ist beklemmend. Heute ist der Termin meiner Gesundheits(zwangs)beratung. Im Haus ist der Infektionsschutz und andere Stellen rund um das Thema Hygiene und Gesundheit angesiedelt. Ein Großraumbüro mit Empfangstresen bietet null, null Diskretion. Der Ton ist freundlich, das muss man sagen. Allerdings auch hier wieder die Situation, das immer andere Leute gegenwärtig sind. Wäre ich nicht längst geoutet, spätestens hier würde ich mir Sorgen machen, wer was von meinem Anliegen mitbekommt und wer mich hier vielleicht von früher kennt. Das Beratungsgespräch ist freundlich naiv. Der Ton der jungen Frau ist respektvoll, wertschätzend und die Atmosphäre des Gespräches ist unbefangen. Das lief gut und dürft auch so weitergehen.
Pustekuchen. Neues Jahr, neuer Termin, nun wird registriert. Dazu muss man in den Keller, die Anmeldung ist direkt neben der TBC-Stelle, samt und sonders Hinweisen, wie man sich zu verhalten hat, wenn jemand hustet, und so weiter. Tolle Aussichten. Keller, Krankheit und Beklemmung. Bei der eigentlichen Datenerfassung unterhalte ich mich mit der Sachbearbeiterin. Nein, sie könne sich nicht vorstellen, dass in anderen Bundesländern keine Kosten zur Registrierung erhoben würden, sie hätten schließlich Dinge anschaffen müssen, weist auf den Drucker und den Scanner, und auf das Papier der Bundesdruckerei. Ich frage, wofür dann meine nicht ganz unerheblichen Steuern verwendet werden? Klar, die Frau weiß das auch nicht. Ich auch nicht. Ein Passbild wird eingescannt, Postadresse erfasst. Es würde nun eine Meldung ans Finanzamt geben, teilt man mir vorsorglich mit. Ich sage, ich erkläre meine Einkünfte seit Beginn meiner Tätigkeit. Aha.
Nächste Runde. Belehrung bei Frau, nennen wir sie mal „Streng“. Die Dame ist total überfordert von einer wie mir. Auf ihrer Bürotür steht rechtlicher Vollzug. Na mal sehen, was hier nun vollzogen wird. Ihre geklebten Wimpern klimpern, sie ist nervös, muss einen Bogen zu Rate ziehen, auf dem erfasst ist, was sie mir als nächstes sagen möchte. Ich springe ein: „Nur die Ruhe.“
Immer wieder fragt sie mich Details. Von meiner Berufsbezeichnung „Bizarrlady“ hat sie noch nie gehört. Lässt aber durchblicken, dass sie sich das auch lieber nicht näher vorstellen möchte. Und wenn ich „dann“ (heute – morgen – nächste Woche?) aussteigen will, dann dürfe ich das. Ja. Ich muss da nichts tun, was ich nicht möchte. Ja. Ich könne Kassenbons sammeln und dem Finanzamt vorlegen. Frau Streng ist ein unerschöpflicher Quell an Sätzen, von denen ich nicht weiß ob Sie die an mich richtet, oder an die kahle Wand hinter mir, mit meiner Situation hat das eigentlich alles nichts zu tun. Eins wird hier ganz deutlich. Die strenge Belehrerin kann sich nun gar nicht vorstellen, dass ich meinen Beruf liebe und ihn gern ausübe. Dass ich dafür Respekt und Wertschätzung fordere und nicht Stigmatisierung und Marginalisierung. Ich nutze die Gelegenheit um kurz was zum Thema Datensicherheit loszuwerden. Durch mein Outing weiß ich, was es heißt wenn Deine Existenz zerstört wird, weil Leute in Schubladen denken und keine Fantasie haben, aber viele Vorurteile. Meine Daten würden gelöscht, wenn ich nicht in 2 Jahren wieder käme. Gut und währenddessen?
Das weiß sie nicht. Sie will mich loswerden. Ich habe das Gefühl sie ekelt sich vor mir. Woher weiß ich dass sie nicht heute abend ihren Freundinnen über mich, die Bizarrlady, stell Dir vor, erzählt? Ist sie sich bewusst, was sie da eigentlich macht, mit ihrer abwertenden Haltung?
Dann wieder Warten. Die Realität ist, dass hier Frauen mit einem Mann sitzen und von ihm abwechselnd zum Rauchen geschickt werden, die Sprache ist eventuell polnisch oder tschechisch. Der Ton zwischen dem Mann und den beiden Frauen ist freundlich, witzelnd. Ich kann nur fantasieren, welcher Art von Sexarbeit die beiden wohl nachgehen mögen und wer der Mann ist. Das sind so kleine Bilder, die ich heute hier mitnehme. Nun bin ich wieder bei der Sachbearbeiterin vom Anfang, die meine Daten erfasste. Nun gibt es den Ausweis. Tadaa. Sie macht einen überforderten Eindruck. Es sind so viele. Und sie schafft das gar nicht alles.
Ich musste das erst einmal verdauen. Am nächsten Tag war ich dann nochmal dort, dachte ich schaue mir mal die Ärztin an, von der mir freudestrahlend in der Gesundheitsberatung berichtet wurde. „Anonym und gratis“ sei das. Könnte ich jederzeit in Anspruch nehmen. Wieder die mir bereits bekannte Situation am Empfangstresen. „Na, was wollen Sie denn von der Ärztin?“, dröhnt die fränkische Röhre, so dass sich Leute im Gang umsehen. Ich frage mich kurz, was ist hier die angemessene Antwort? Einen Abstrich meiner Vaginalflora? Puh! Die Medizinerin ist professionell und zugänglich. Keine Vorurteile, kein Verletzen meiner Intimssphäre, geht also doch.
Ich frage mich, was das alles noch geben soll, wenn die Verwalter des neuen Gesetzes so schlecht vorbereitet sind und sich so wenig unter unserem Beruf vorstellen können? Meine Erfahrungen fallen sicherlich nicht sonderlich aus dem Rahmen. Dennoch macht es was mit einem, sich dieser Prozedur zu unterziehen. Es verunsichert und macht ein flaues Gefühl, verdeutlicht, wie weit man außerhalb des Mainstreams steht, und wie groß Stigma, Entfremdung und Berührungsängste eigentlich sind.
Nun noch ein letzter Satz zu der Haltung, die mir da unter Kolleg*Innen begegnet. Jede*r in diesem Beruf legt sich ein dickeres Fell zu. Oft muss man sich Dinge in kleine Portionen runterbrechen, es läuft gerade nicht genug, und dann läuft es zu gut, dann wird man diskriminiert aufgrund der Arbeit, die man tut, und die Arbeitsbedingungen sind auch nicht immer die allerbesten. Da tut eine Prise von: „Das wird schon wieder.“ Oder: „Mache ich mir dann Gedanken drum, wenn es konkret wird!“ oder auch: „Ich bin nicht zwangsprostituiert, also geht mich das alles nichts an, ich bin da nicht gemeint.“ manchmal gut.
Angesichts der aktuellen Situation denke ich aber, Kopf in den Sand stecken gilt nicht! Wir sitzen nun alle in diesem nicht schwimmtauglichen Boot des Gesetzes und haben tüchtig Wellengang. Statt nur niedrigschwelliger Café-Arbeit und Kreativworkshop hätte ich gern Befähigung, politische Bildung und Kompetenzerweiterung für die Kolleg*Innen, Sexworker*Innen und ein Selbstverständnis, dass wir für unseren Beruf genau eins verdienen, nämlich Respekt!