Verrückte Zeiten – Flaschenpost 3.0

Noch eine Flaschenpost aus verrückten Zeiten –
mein 3. Update seit dem Corona – Lockdown

Seit mittlerweile über 100 Tagen befindet sich die Welt in einem Ausnahmezustand, der langsam zu unserer Realität wird. In einer Kolumne im Deutschlandfunk Kultur hörte ich am 24.6. in den Zeitfragen der Kolumne „Orientierungsversuche“ von Matthias Greffrath zu. In der Floskel „Stand heute“ steckte dabei für mich viel Zutreffendes.

Die Formulierung „Stand heute“ fängt meine Situation und die vieler Kolleg*innen und Betreiber*innen in der Erotikbranche in den letzten 100 Tagen zutreffend ein. Nichts und Viel ist in dieser Zeit passiert: Sexarbeiterinnen wurden und werden als Super Spreader diffamiert, Die Bordelle sind und bleiben geschlossen, die Forderung nach Sexkaufverbot wurde laut und lauter und eine ganze Horde von kreischenden Moralistinnen schnuppert während der Corona-Pandemie Morgenluft und nutzt diese Krise schamlos für ihre Zwecke. Sie machen Stimmung in allen Parteien, zuletzt in der LINKEN, und fordern ihre scheinheilige „Welt ohne Prostitution“. Feminismus ist für viele derzeit eine tolle Sachen, zumindest dem Anschein nach, denn: Feminismus macht Quote und ist leicht, sich selbst dem Anstrich von Wohltätigkeit und Engagiertheit zu geben, wenn man einfach die Aussagen von Anderen nachplappert. Ja, dies geht zum Beispiel an die Antilopen Gang, die es sehr wohl schafft, bei Huschke Mau abzuschreiben, aber es nicht mal hinkriegt, auf einen Offenen Brief von Sexarbeiter*innen und NGOs an sie zu reagieren. Das ist so chauvinistisch, dass ich kotzen könnte.

Wir durchleben gesellschaftlich eine tiefe Krise, und sie verändert das Leben nachhaltig. Für mich, als staatlich registrierte Hure, gibt es glücklicherweise Unterstützung in Form von Arbeitslosengeld II. Für viele meiner Kolleg*innen, ohne Aufenthaltsgenehmigung oder Meldebescheinigung, oder schlicht ohne Hurenpass, gibt es die nicht. Deswegen lege ich meinen Lesern nochmal den Solidaritätsfond von Hydra ans Herz:
https://www.hydra-berlin.de/spenden/
da es nach wie vor viel Not gibt, denn seit über 100 Tagen sind unsere Arbeitsstätte geschlossen. Eine Tätigkeit wäre derzeit nur illegalisiert möglich und veranschaulicht in aller Drastik, warum ich ein Sexkaufverbot in Deutschland entschieden ablehne. Die Nachfrage nach Sexarbeit existiert nämlich weiter, natürlich, denn die Sexualität ist ja ein Grundbedürfnis des Menschen, und nicht jed*e ist verpartnert. Auch in Pandemiezeiten bildet der menschliche Körper spezielle das Immunsystem stärkende Botenstoffe nei positiver Berührung/Zärtlichkeit.
Allerdings fehlen die safer spaces in Form von Bordellen, Laufhäusern und Studios, Clubs, Saunen etc. und zudem laufen Kund*innen und Anbieter*innen Gefahr entdeckt und sanktioniert zu werden.
Ich habe mich entschieden, derzeit nicht zu arbeiten, ABER ich bekomme ja auch Unterstützung vom jobcenter.
Andere Kolleg*innen sind auf Cam, Telefon oder Chats umgestiegen. Sie leiden unter der Ausbeutung und den hohen Abgaben in diesen Sparten, bis zu 75% ihrer Umsätze gehen an Plattform oder Provider/Mitverdiener. Viel mehr übrigens als an unsere regulären Vermieter*innen, die ständig als „Zuhälter*innen“ beleidigt werden.
Auch ich biete für Interessent*innen derzeit Hypnose, Audios und tailormade-Stories, sowie Coachings an. Nicht viel, denn den Hauptteil meiner Energie widme ich der politischen Arbeit. Und viel dazuverdienen darf ich eh nicht, sonst wird mir die Stütze gekürzt. Ich jammere nicht, das sind Fakten. Daher bin ich derzeit nicht wie üblich kurzfristig erreichbar und es gibt längere Wartezeiten, bis ich auch für Dich Zeit habe.
Wenn Dich interessiert, wie für meine Podcastkollegin Fabienne und mich der Lockdown war, dann hör doch mal hier rein:
http://whoroscope.eu/2020/05/09/corona-spezial/

In den letzten Wochen durchlebte ich eine steile Lernkurve in Sachen Presse- und Medienarbeit. Fernsehen, Print, Radio, Webtalk schau doch mal in die About Sexwork-Rubrik.

Es gibt also einiges Ernstes und manches Positives zu berichten. Ganz besonders möchte ich meinen Gästen dafür danken, dass sie mich im April sososo viel beschenkt haben. Ihr seid großartig und ich durfte mich sehr gewertschätzt fühlen.

Übrigens:
Der Juli ist mein birthday-Monat und es ist ein offenes Geheimnis, dass ich einen runden Geburtstag feiere. Meine Wunschliste ist derzeit wieder aktualisiert und ich freue mich darauf, das ein oder andere Geschenk auszupacken. Der Tag der Tage ist der 6. Juli.

Hier geht es zu meiner Amazon-Wunschliste.
Kleiner Tipp, manche Geschenke erfordern eine Versandadresse. Entweder Du fragst mich per Mail danach oder Du lässt es mir ins Studio LUX senden, wenn es ein kleineres Format hat:

Studio LUX c/o MAILBOXES etc.
Mademoiselle Ruby

Tempelhofer Damm 127
12099 Berlin

Noch mehr als auf Geschenke freue ich mich auf den Tag, ab dem ich wieder legal und selbstbestimmt arbeiten kann. Eine Prognose darüber abgeben, wann das sein wird, kann ich aber leider auch nicht. Es hängt eben alles mit dem Verlauf der Pandemie, dem Wohl und Wehe der Politik und mit dem Erhalt unserer Arbeitsplätze ab.

Ein letzter Aufruf. Unterstützt bitte Eure lokalen Sexworker und Betreibende. Gerade die Betreibenden kämpfen mit der Insolvenz und in manchen Bundesländern gibt es auch keine zweite Runde Soforthilfe.

Gebt Acht auf Euch,
Eure Ruby

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