Die LINKE und das Alien

Die LINKE ist zerstritten.

„Manche Genoss*innen haben sich sogar geweigert, die Flyer für die heutige Veranstaltung zu verteilen. So ein Schmuddelkram.“ Mit diesen Worten werde ich empfangen.

Die LINKE lud ein zur Podiumsdiskussion: „Prostitution im Spannungsfeld zwischen sexueller Selbstbestimmung und Ausbeutung“ am 11.3.2019 in Hannovers Haus der Regionen. Unsere Veranstaltung konkurriert in direkter Nachbarschaft mit Eckart von Hirschhausen, und ein bisschen komme ich mir auch vor wie im politischen Kabarett.

Hinzu gesellt sich das latente Gefühl, dass heute eigentlich der Rücktritt von Sahra Wagenknecht dringlicher unter den Genoss*innen diskutiert werden will, sei es drum, unser Thema ist ein anderes. Eines, das spaltet, unbequem ist und brisant.

Mit mir auf dem Podium sitzen:
Fachbereich Gesundheit der Region Hannover
Ärztin für öffentliches Gesundheitswesen
Stefanie Schmidt
Landesrats LINKE Frauen Niedersachsen
Moderation:
Jessica Kaußen
Fraktionsvorsitzende DIE LINKE.

Ein Podium im Nachgang des 8. März, mit diesem Thema, da hatte ich Lust zu. Stefanie Schmidt stellt sich mitten Worten vor, Prostitution gehört verboten. Und schon sind wir mitten in der Debatte.
Ich hätte mir gewünscht, dass die Moderatorin das Thema einbettet, historisch und gesellschaftlich, und vielleicht auch die parteiinternen Positionen ein wenig darstellt. Statt dessen geht es gleich mit der ersten Frage los, nämlich was der Berufsverband mit Hydra zu tun hat. Komischer Einstieg… ich erzähle über uns, über die politische Arbeit, die Zusammenarbeit mit Hydra, wie sehr mir die Arbeit von Hydra imponiert, Stichwort Fokusgruppen, Peerprojekt, Café, dass man so an die politisch unterrepräsentierten Kolleg*innen in der Sexarbeit rankommt und wie doof es ist, dass Mittelkürzung allgegenwärtig ist. Was der Berufsverband macht, wie wir mit Beratungsstellen, wie Phönix in Hannover zusammenarbeiten und dass wir an Runden Tischen vertreten sind, zum Beispiel ganz konkret in Hannover.

Danach geht die nächste Frage an Frau Graf, die sehr interessant und kompetent über die Pflichtberatung und die Arbeit ihres Fachbereichs berichtet, es haben sich bisher knapp unter 500 Sexworker angemeldet, nur Frauen. Sie problematisiert die Pflichtberatung, hinterfragt kritisch, wie in einem solchen Setting Zwangslagen erkannt werden können und fällt mir durch ihren angenehmen Ton und ihre wertschätzende Art angenehm auf.

Danach ist Stefanie Schmidt dran. Jetzt bin ich gespannt. Die Frage ist, ob der Landesrat LINKE Frauen eine einheitliche Haltung zu Prostitution habe und dieses Thema diskutiere. Nein, sagt sie, es gäbe viel Streit und deswegen diskutiere man das nicht. Wow!

Soll ich mich nun freuen oder enttäuscht sein? Sie ist derart unsicher und die Berührungsängste mit dem Themenkomplex Sexarbeit scheinen durch. In der Folge hat sie noch eine Frage zum Thema sexuelle Selbstbestimmung und Ausbeutung. Auch da kommt leider kein Argument, sondern lediglich Glaubenssätze. Man könne das in der ausgebeuteten Gesellschaft des Marktkapitalismus doch gar nicht selbstbestimmt tun, und dass es eiine Illusion sei, zu glauben, man könne selbstbestimmt seinen Körper verkaufen. Da hake ich dann ein, spreche über Mündigkeit, über Sexarbeit als professionelle Dienstleistung wie auch andere Dienstleistungen, über das menschliche Grundbedürfnis Sexualität. Leider kommt keine Diskussion in Gange.

Zwischen der Unterstellung von Zwang und der krassen Beschämung, die die meisten Leute, die diese Veranstaltung besuchen, zu spüren scheinen, vergeht der Abend schnell. Spannend ist für mich, wie die LINKE, obwohl sie sich in marxistischer Tradition sieht, krass den moralistischen Argumenten des bürgerlichen Feminismus erliegt, statt ihre eigenen Quellen zu studieren. Krakeelen nach Würde und fragen nach sexueller Selbstbestimmung, aber wenn ich dann feministisch argumentiere und frage, wie es denn mit künstlerischer und sexueller Avantgarde aussieht, mit der sexuellen Selbstbestimmung der Frau und davon rede, wie muffig die Vorstellung ist, dass Intimität nur in der Ehe möglich ist, und heilig und unantastbar und das so unglaublich körperfeindlich und sexnegativ ist, dann bleibe ich doch ein Alien in diesem Umfeld.

Ein paar Highlights gab es dann doch: die Moderation war interessiert und zugewandt, Frau Graf machte einen tollen und kompetenten Eindruck und es ist mutig, das Thema zu bringen. Doro von Phönix war da, und einige Fragen aus dem Publikum waren nicht nur hurenfeindlich und anmaßend. Für mich ist es dennoch kein Wunder, dass die LINKE weder als revolutionäre Partei wahrgenommen wird, noch sonst besonders große Anziehungskraft auf politische Menschen ausübt. Sie haben keine Utopie oder Vision sondern erliegen widersprüchlichen Moralvorstellungen, leider streitet man statt zu diskutieren. Da fühlt man sich dann nicht zu hingezogen… sondern bleibt lieber ein Alien.

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